Luzi Brüesch



15.04.1866, Passugg-Araschgen GR - 07.04.1946, Schiers GR

Klarinettist. Er wurde in Araschgen oberhalb Chur geboren, wo er fast sein ganzes Leben zubrachte und entsprechend seiner einfachen Herkunft ein bescheidenes Auskommen als Tanzmusikant und Schreiner fand. Noch während der Schulzeit musizierte er als Violinspieler neben seinem Vater bei Hochzeiten und anderen Festlichkeiten, wobei er meist mit Doppelgriffen die melodieführende Klarinettenstimme begleitete. Er spielte sowohl die Geige als auch später die Klarinette nach Gehör und entbehrte zeitlebens jeglicher Notenkenntnisse. Zusammen mit seinem Vater, Klarinette, seinem Bruder Gregor, Violine, und einem Bassisten gründete er 1892 die “Brüesch-Musik”, womit eine jahrelange musikalische Tätigkeit anhob, während welcher die Handorgel als Begleitinstrument allmählich die Violine ersetzte. Er wies sich besonders als Klarinettist über eine einzigartige Form aus, hielt viel auf Exaktheit und Disziplin und entwickelte eine eigene Spielweise, indem er die letzten Takte vieler Tänze mit einem hohen Ton oder einem Triller einleitete. Sein hervorragendes Melodiengedächtnis kam ihm beim Stegreifvortrag des rund 150 Eigenkompositionen zählenden Repertoires sehr zustatten, spielte er doch die Tänze jeweils Ton für Ton gleich und verwechselte nie Teile derselben.
Manche musikalische Wendung aus Österreich, vorab aus dem Tirol, hat er in seine anfänglich nur zweiteiligen Stücke einfliessen lassen. Wohl nicht zuletzt der erstaunlichen Ausdauer wegen, die er beim Musizieren an den Tag legte (Auftritte von 11 Uhr vormittags bis 9 Uhr anderntags bildeten keine Seltenheit), stand er beim breiten Publikum seines Heimatkantons wie in Kreisen der Bündnervereine von Zürich und andernorts in hoher Gunst. In seinem Haus “Winkel” in Araschgen verfügte er außerdem über einen Saal für gesellschaftliche Anlässe. War er einmal am Wochenende nicht auswärts verpflichtet, so ergriff er die Gelegenheit und zog mit seiner Kapelle daheim einen Tanzbetrieb für die Ortsjugend und die Ausflügler aus Chur auf. Seine musikalische Reife erlangte er Anfang der zwanziger Jahre, genau am 1. Mai 1921, als er sich erstmals als “Ländlerkapelle Brüesch” in jener Besetzung vorstellte, die bald in weiten Teilen der Schweiz Berühmtheit erlangen sollte: Luzi Brüesch, 1. Klarinette / Heinrich (Heiri) Padrutt, 2. Klarinette / Hans Fischer, Schwyzerorgel / Hans Majoleth (Bruder von Lorenz Majoleth 1879 bis 1948), Bassgeige.
Eine Sonderstellung nimmt Luzi Brüesch auch deswegen ein, weil er am 29. April 1929 als erste Bündnerkapelle ins Aufnahmestudio geholt wurde, um für die Marke “His Master’s Voice” Grammophonplatten einzuspielen. Sein präziser Vortrag sprach sich offenbar schnell herum, denn schon im folgenden Jahr kamen weitere Aufnahmen für “Parlophon” zustande. Mit derselben Genauigkeit, gepaart mit Gemächlichkeit, soll er auch bei der Ausübung seines Schreinerberufs, sonderlich beim Einbauen von Zimmerdekken ans Werk gegangen sein. Ausser seinen eigenen Melodien, vorweg die “Maiensäss-Polka” und der Schottisch “Am Bündnerball in Zürich”, die im Verlag Grossmann erschienen, nachdem sie Lehrer Hew in Küblis aufnotiert hatte, bot er auch Tänze seiner Weggenossen Lenz Majoleth, Kollegger, Waser und Metzger dar.
Nach dem Tod seiner Frau 1936 hob er mit siebzig Jahren die Kapelle unverzüglich auf, legte die Klarinette beiseite und zog zu seinem Sohn nach Küblis. Nur noch vereinzelt liess er sich in späteren Jahren zum Musizieren bewegen. Kurz vor seinem achtzigsten Geburtstag musste er wegen Altersschwäche in das Krankenhaus Schiers eingewiesen werden, wo er nach zehn Tagen starb. Er wurde in Küblis beerdigt. Durch sein jahrzehntelanges ununterbrochenes Wirken hat er die Bündner Volksmusik nachhaltig beeinflusst und ihre heutige Form maßgebend mitgeprägt.

Text entnommen aus dem Lexikon der Schweizer Volksmusikanten. Mit freundlicher Genehmigung von Ernst Roth.


Luzi Brüesch Discographie  (ohne Gewähr auf Vollständigkeit!)

78 upm Schellack-Platten
Titel Plattenlabel Bestellnummer Matritzennummer Jahrgang
Ländlerkapelle Brüesch, Chur
Luzi Brüesch & Heinrich Padrutt, Klarinette / Hans Fischer, Handorgel / Hans Majoleth, Bass
Di will i liaba
Engadiner-Schottisch
His Masters Voice FK 24 BS 3582
BS 3588
1929
Luzi Brüesch-Walzer
Maiensäss-Polka
His Masters Voice FK 25 BS 3586
BS 3587
1929
Du mis Liebali
Der Engadiner
His Masters Voice FK 26 BS 3583
BS 3589
1929
Der Schanfigger
Uf der Alp
His Masters Voice FK 27 BS 3584
BS 3585
1929
Ländler-Kapelle Brüesch, Passugg
Luzi Brüesch, 1. Klarinette / Heinrich Badrutt, 2. Klarinette / Hans Fischer, Schwyzerorgel / Hans Majaleth, Bass
Hess-Walzer
Jäger-Schottisch
Parlophon
Gloria
B 35 102
GO 13 573
102 186
102 187
1930
Araschger-Walzer
Känzeli-Mazurka
Parlophon
Gloria
B 35 103
GO 13 563
102 188
102 189
1930
Der Kehraus
Erinnerung ans Musikfest Landquart
Parlophon B 35 104 102 190
102 191
1930
En alte Churer
Gruss von der Lenzerheide
Parlophon
Gloria
B 35 105
GO 13 574
102 192
102 193
1930
???
???
Parlophon B 35 106 ???
???
1930
* = Ländlerkapelle Luzi Brüesch, Passugg
Luzi Brüesch & Heinrich Padrutt, Klarinette / Hans Fischer, Handorgel / Hans Majoleth, Bass
** = Luzi Brüesch & Hans Fischer (Duett: Klarinette & Handharmonika)
*** = Hans Fischer (Solo: Handharmonika)
Eine Nacht in St. Moritz  *
Am Bündnerball in Zürich  *
His Masters Voice FK 158 OW 34
OW 35
1931
Abschied von der Alp  **
Alles im obere Gade  ***
His Masters Voice FK 159 OW 41
OW 44
1931
Alles der Wand nach  *
Mir gönd no lang nid heim  *
His Masters Voice FK 165 OW 36
OW 38
1931
Hans im Glück  **
Gruss an Avers-Cresto  ***
His Masters Voice FK 166 OW 40
OW 45
1931
Hans juchz no eine  *
Auf nach Arosa  *
His Masters Voice FK 175 OW 37
OW 39
1931
A lüpfige vom Luzi Brüesch  **
Hans mach noch einen alten  ***
His Masters Voice FK 176 OW 43
OW 46
1931
Grossvaters Polka  **
Alles rundum  ***
His Masters Voice FK 189 OW 42
OW 47
1931
Discographie zusammengestellt von Dieter Blattmann im April 2009.
Quellenmaterial aus seinem Archiv.
Jahrgänge der Platten: Hanspeter Woessner.
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